CDessay
Wenn dieser „näselt" oder etwas ge-
quält klingt, dann war es wohl nichts
mit der „Neuerung“.
Es muss aber nicht unbedingt eine
Stimme aus der klassischen Musik sein.
Vorausgesetzt, sie ist natürlich und der
Interpret hat einen definierten Stimm-
umfang, auf den man sich verlassen kann.
So darf es durchaus auch Willie Nelson
mit
seinem
umwerfenden
„ Night Life“ von der CD „Healing Hands
Of Time“ sein.
Wenn ich die ers-
ten Griffe auf der
Gitarre
höre,
den
Einsatz seiner Stim-
me mit großer Be-
gleitung im Hinter-
grund, dazu ein herr-
licher Kontrabass, der
den
Eindruck
noch
verstärkt, dann öffnet
sich
meine
Seele.
Wenn Sie davon nicht
gepackt sind, dann ist
entweder mit Ihrer An-
lage etwas nicht in Ord-
nung, oder es ist nun
absolut nicht Ihre Musik.
Zugegeben, die einzelnen Kriterien las-
sen sich nicht immer absolut trennen, denn
schon bei Nelson konnte ich nicht umhin,
Sie auf den tollen Bass in der Begleitung
hinzuweisen. Nun muss ein Kontrabass
nicht immer zwangsläufig ganz so tief sein
wie hier, aber es hat sich schon angedeutet,
was ich meine, wenn ich den Bassbereich
eindeutig als Spaßfaktor einordne.
D a m it d e r S p a ß n ic h t zu ku rz
k o m m t
Ist es bei Ihnen nicht auch so, dass erst ein-
mal eine Scheibe mit kräftigem Bass in die
Schublade oder auf den Teller kommt,
wenn sich Besuch einstellt und man mit
seiner Anlage punkten will? Auf der CD
„Christian McBride gettin’ to it“ (Verve)
ist es der Titel „ Splanky“, der so ziemlich
jeden umhauen dürfte.
Es treten gleich drei Bassisten, genauer
gesagt sogar drei Generationen von Bas-
sisten, gemeinsam auf. Christian McBri-
de gehört der jüngeren, Ray Brown zu der
Zeit noch der eher mittleren Generation
an, und Milt Hinton ist in diesem Kreis
der Veteran. Aber wo scheiden sich hier
die Geister in Sachen Vergleich?
Kontrabässe sind Saiteninstrumente mit
einem großen Holzkorpus. Nun, das ist
für Sie gewiss keine Neuigkeit, aber ob es
dann
auch
so
klingt, das ist die interessante Frage. Hin-
zu kommt, dass die Bassisten beim Zup-
fen ihres Instruments, wenn sie die Saiten
auch mal schnalzen lassen, gehörigen
Schalldruck produzieren. Diesen Druck
darf man ruhig mit dem „Bauch hören“.
Wenn man das Kolophonium förmlich
riechen kann, die Saiten vibrieren - und
das auch noch völlig unangestrengt, dann
kann eine Anlage entscheidend punkten.
Kontrabässe können schon ganz schön
tief runtergehen, aber so richtig bis ans
Ende der Fahnenstange gelangt man erst
im Finale des „ Feuervogels“ von Igor Stra-
vinsky. Ich empfehle Ihnen hierzu eine
Aufnahme des „Royal Concertgebouw
Ochestra“ unter Mariss Jansons.
Es ist zwar eine Hybrid-SACD, aber
man kann sie genauso in Stereo abspielen.
Es fängt - wie vieles im Leben - ganz
harmlos an, aber dann ist schier der Teu-
fel los. Wenn die große Pauke ihren ge-
waltigen Druck entfaltet, muss das kör-
perlich spürbar sein. Wenn Sie Konzert-
gänger sind, haben Sie es bestimmt auch
schon erlebt, dass vom Konzertpodium ei-
ne unglaubliche Druckwelle auf Sie zurollt,
und das, obwohl Sie in der 30. Reihe sit-
zen. Wenn dieser Eindruck auch nur an-
satzweise in Ihren vier Wänden entsteht,
können Sie sich gratulieren, und ein wei
tererTest ist glänzend bestanden. Wenn es
einfach nur „ Plopp“ macht oder sogar an
fängt zu dröhnen, dann war’s wohl wieder
einmal nichts.
A lle s is t e rla u b t, n u r ke in e
L a n g e w e ile
Dieser Abschnitt widmet sich zwar dem
Tieftonbereich, aber die Frage des Im
pulsverhaltens und der Schnelligkeit spielt
eine ebenso große Rolle. Neulich hatte ich
die Gelegenheit, ein sündhaft teures Netz
kabel im Vergleich Probe zu hören. Es hat-
te keine Chance, denn gäh
nende Langeweile machte
sich breit. Ähnliches ist mir
auch schon mit Elektronik
passiert, eben, weil nichts
passierte. Sicher war tonal
alles in Ordnung, aber lang-
weilige, übertrieben analy-
tische Aufdröselei ist für
mich nicht das Gebot der
Stunde. Das Zusammen
spiel, die Musikalität sind
doch von entscheidender
Bedeutung.
Zum Abschluss würde
ich Ihnen gern noch eine Aufnahme emp
fehlen, welche die drei letztgenannten Kri-
terien in hervorragender Weise vereint.
Es ist die CD „ Oriental Bass“(ENJA) des
Kontrabassisten Renaud Garcia-Fons.
Der Titel heißt „ Bajo Andaluz“ - und
es ist geradezu ein Feuerwerk, das Garcia-
Fons hier abbrennt. Erspielt Flamenco auf
dem Bass, und das in einer Perfektion, die
einem fast den Atem nimmt. Schön ist
auch, dass es nicht um Effekthascherei
geht, sondern sich einfach um großartige
Musik handelt, die sofort bis in die Ze-
henspitzen geht.
Nun habe ich versucht, einige Kriterien
herauszuarbeiten, die bei mir für den ent-
spannten
Musikgenuss
unverzichtbar
sind. Es kann natürlich durchaus sein, dass
Sie in dem einen oder anderen Punkt et-
was anders gewichten, schließlich spielen
die persönlichen Vorlieben immer eint
große Rolle. Hinzu kommt selbstver
ständlich, dass wir uns dem Original, also
der Live-Musik, immer nur so weit als
möglich nähern können. Irgendwann
macht auch die feinste Wiedergabekette
nicht mehr mit. Deshalb möchte ich mei
ne Ausführungen mit einem Appell be
schließen: Hören Sie nicht nur auf Ihre
Anlage, hören Sie vielmehr auf die Musik,
denn letztlich ist sie es, die uns zufrieden
und glücklich macht.
48 STEREO 6/2011
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